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Präsidentenbesuch

im Thomas-Mann-Haus

Thomas Mann Haus, Terrasse

Der letzte Programmpunkt der Sommerreise des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck  durch Finnland und die baltischen Staaten lautete am 13. Juli 2013: „Eröffnung des 17. Internationalen Thomas-Mann-Festivals“ in Nida.

Gemeinsam mit seiner litauischen Amtskollegin, der Präsidentin Dalia Grybauskaite, besuchte das deutsche Staatsoberhaupt die Kurische Nehrung, eine schmalen Landzunge an der Ostsee. Hier ließ sich einst Thomas Mann ein Sommerhaus erbauen, indem er und seine Familie die drei Sommer von 1930-32 verbrachten. Gauck und Grybauskaite besuchten das Sommerhaus, in dem sich heute ein Museum zu Ehren Thomas Manns und ein deutsch-litauisches Kulturzentrum befinden. Nach der Besichtigung des Museums richtete das Kuratorium des Thomas-Mann-Kulturzentrums ein Essen auf der Terrasse aus. Die anwesenden litauischen Kuratoren berichteten von dem Werdegang des 1995 gegründeten Kulturzentrums und dessen Aktivitäten, deren Hauptattraktion inzwischen das alljährlich stattfindende „Internationale Thomas-Mann-Festival“ ist.  Das 1997 begründete zweisprachige deutsch-litauische Veranstaltungsformat musste sich anfänglich gegen Vorurteile durchsetzen: zum einen hatte man auf der Nehrung keine Erfahrung mit hochwertigen klassischen Konzerten, zum anderen wurden immer wieder Befürchtungen laut, es könne sich um Regermanisierungsversuche handeln. Dieses Schreckgespenst der sowjetischen Propaganda war damals noch häufig gegenwärtig. Darüber hinaus erhoben sich auch bisweilen Zweifel, die thematisch ausgerichteten Veranstaltungen könnten zu elitär angelegt sein. In langjähriger kontinuierlicher Arbeit konnten die Kuratoren des Kulturzentrums, die das jährliche Programm  mit Konzerten, einem Wortprogramm sowie Filmaufführungen und Ausstellungen auswählen, zusammenstellen und moderieren, alle Vorurteile widerlegen. In den Programmen spiegeln sich zahlreiche kulturelle Verflechtungen zwischen litauischen und deutschen sowie anderen europäischen Künstlern und Literaten wieder, für die im Tischgespräch diverse Beispiele angeführt wurden. So konnte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė in ihrem Toast resümieren, dass das Thomas-Mann-Festival ein Markenzeichen für Nida sei und damit eine der bedeutendsten Veranstaltungen, nicht nur in Westlitauen, sondern im ganzen Land sei. Joachim Gauck hob in seiner kurzen Ansprache hervor, dass er sich freue, dass litauische Intellektuelle das Sommerhaus des deutschen Schriftstellers nicht nur vor der Zerstörung gerettet, sondern auch wieder aufgebaut und genutzt hätten. Er unterstrich, dass dieser Besuch in Nida innerhalb eines Staatsbesuches Ausdruck der Wertschätzung für die geleistete Arbeit sei.

Drei Präsidenten bei der Eröffnung: D Joachim Gauck, LT Dalia Grybauskatė LT (a.D.) Valdas Adamkus Foto: Gintautas Beržinskas

Die abendliche Eröffnung des Festivals, das in diesem Jahr unter dem Thema „Suche nach der Heimat“ (nach Czeslaw Milosz) steht,  wurde von drei Reden geprägt. Der litauische Altpräsident und langjährige Schirmherr Valdas Adamkus sprach über kulturelle Heimat, Dalia Grybauskaite erwähnte in ihrer Ansprache die kulturelle Spezifik Kleinlitauens und die Bemühungen der Einwohner, diese Kultur ihrer Heimat auch in der sowjetischen Zeit zu verwahren. Gleichfalls unterstrich sie die Wichtigkeit Deutschlands als Partner Litauens. Joachim Gauck  fasste zusammen, dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte die Grundvoraussetzungen dafür seien, dass niemals wieder jemand aus seiner Heimat vertrieben werde. Diese Faktoren kennzeichnen auch den  Geist des Thomas-Mann-Festivals, das Menschen unterschiedlicher Kulturen verbinde.

Innerhalb des Eröffnungskonzertes wurde auch eine litauische Komposition von Vidmantas Bartulis uraufgeführt. Traditionell vergibt das Festival jedes Jahr eine Auftragskomposition an einen litauischen Komponisiten. Es erklang ein Werk für gemischten Chor unter dem Titel „Meine/Die Mannschen Dünen“, dessen Klänge durch ein enormes lautmalerisches Spektrum Publikum und Ehrengäste gleichermaßen beeindruckte.

Die Niddener Begegnung auf der Terrasse war eine Begegnung auf Augenhöhe, die zu weiteren Fortsetzungen anspornt. Umso mehr, da Joachim Gauck, nachdem er von dem Format der Wortvorträge auf der Terrasse des Thomas-Mann-Hauses gehört hatte, gerne wiederkommen würde, um einem Festivalpublikum seinen Erinnerungsband „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ vorzustellen.

Ruth Leiserowitz

Im Kaminzimmer von Thomas Mann: Eintrag ins Gästebuch.
Foto: Gintautas Beržinskas