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Motto 2020 Wetterzeichen

24. Internationales Thomas-Mann-Festival 11.–18. Juli 2020

Über das Motto Wetterzeichen von Ruth Leiserowitz

Nehrung blaue Wolke
Nida, Große Düne, Blick Richtung Süden, mit Haff und Ostsee

Der Aufenthalt in einer phantastischen Kulturlandschaft, die Ausdruck vielfacher und enger Wechselwirkungen zwischen ihren Bewohnern und ihrer natürlichen Umgebung ist, regt an, sich mit Fragen zu aktuellen Beziehungen zwischen Mensch und Natur auseinanderzusetzen. Da der Begriff der Natur so zahlreiche Phänomene umfasst, werden wir uns in diesem neuen Festivalzyklus, der den Kulturlandschaften gewidmet ist, zuerst mit dem Phänomen des Wetters beschäftigen.

Sehr schnell wird uns bewusst, dass sich Maler, Komponisten und Schriftsteller in der Vergangenheit stark mit Wettererscheinungen befasst und dazu gearbeitet haben. Auch in den Werken Beethovens, des musikalischen Jubilars dieses Jahres, spielen Wetterbeschreibungen eine große Rolle. Fragen wir nach dem Verhältnis von Schriftstellern zu Natur-und Wettererscheinungen, steht Thomas Mann ganz oben in der Reihe derjenigen, die derartige Beschreibungen in ihre Werke einflechten. Doch sie dienen vorrangig der Untermalung, der Verstärkung bereits beschriebener Konstellationen oder Situationen.

Thomas Mann nutzte das Wetter für seine Zwecke. Wahrscheinlich fühlte er sich, wie viele seiner Zeitgenossen, die in der Stadt lebten und einem Beruf nachgingen, bei dem sie sich nicht ständig im Freien bewegen mussten, wetterunabhängig. Im Rückblick aus heutiger Perspektive scheint das eine sehr privilegierte Situation gewesen zu sein, die vielleicht bald nicht mehr so existieren könnte.

Der gegenwärtige Klimawandel und damit einhergehenden Veränderungen unserer Ökosysteme bedrohen u.a. auch zunehmend unsere Gesundheit. Heute wird davon ausgegangen, dass wir in einem neuen geochronologischen Zeitalter, dem Anthropozän, angekommen seien. Es sei die Epoche, in der der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden sei.

Eine Zeit, die eine paradoxe Gleichzeitigkeit von Verfügbarkeit und Abhängigkeit biete und die Veränderungen nach sich ziehen werde, die im Großen und Ganzen auch als kulturelle Imaginationskrise gedeutet werden könnte. Haben wir die ersten Zeichen gerade global erlebt? Werden wir bald vor neuen Herausforderungen stehen und sie meistern? Es gilt, Wetterzeichen, Vorboten der Natur, aber auch Vorzeichen der Gesellschaft, im übertragenen Sinn (schon Friedrich Nietzsche sprach von Wetterzeichen der Kultur) zu erkennen und die eigene Beobachtung zu schulen. Dazu bedarf es einer Portion Neugier, Offenheit und Akzeptanz. Auf diese Weise wird es auch wirklich spannend, über das Wetter im weitesten Sinn zu reden, sich auszutauschen und gemeinsam Kultur zu genießen.

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