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22. TM-Festival

Programm 14. bis 21. Juli 2018

Das 22. Thomas-Mann-Festival hatte das Motto: „… die demokratische Neue Welt mit guter Miene zu salutieren“

Ein interessanter Schwerpunkt war die Neuordnung Europas, die mit dem Ende des Ersten Weltkrieges stattfand. Sie brachte mehreren kleineren Staaten ihre Neugründungen oder die Wiedererlangung der Unabhängigkeit. 

Adam Michnik sprach am 16. Juli im Thomas-Mann-Haus (Foto: Stephan Röhl, Heinrich-Böll-Stiftung, From Wikimedia Commons

Programm des 22. Internationalen Thomas-Mann-Festival

Zum Motto „… die demokratische Neue Welt mit guter Miene zu salutieren“

Zwischen der Ausrufung der Republik Litauen, die den Reigen der Unabhängigkeit im Februar 1918 eröffnete und der Verkündung der lettischen Unabhängigkeit am 11. November lagen immerhin acht Monate, in denen das blutige Weltkriegstheater weiter fortgeführt wurde, aber ebenfalls an vielen Orten Stillstand herrschte wie auch lähmende Ungewissheit. Manche Dinge, die sich im Laufe des Jahres konfigurierten, wie die Weißrussische Volksrepublik oder die Republik Perloja überlebten den Status der Vorläufigkeit nicht. Von anderen Veränderungen, die z.B. die Beschlüsse von Versailles mit sich bringen sollten, war noch nichts zu ahnen; so genossen die Niddener Gäste jenes Sommers völlig unbescholten ihren Urlaub und die Maler, wie Alfred Herrmann Helberger und Pranas Domšaitis, arbeiteten an neuen Bildern. Für die heutigen Betrachter ist das an Ereignissen reiche Jahr in der Rückblende auf die Jahreszahl zusammengeschmolzen. Der vielfachen Dynamik von Geschehnissen, Gewissheiten und den Gefühlen jener Zeit soll in den Festivaltagen nachgespürt werden. Dazu gehört, sich an zahlreiche Dinge zu erinnern, die noch kurz vorher unmöglich schienen, wie an die sowjetrussische Kalenderreform, die Einführung des Frauenwahlrechts und nicht zuletzt die ersten eigenen Briefmarken der neugegründeten baltischen Staaten. Viele Konstruktionen waren in jenem Jahr jedoch in hohem Maße fragil und es war unsicher, wie lange sie bestehen würden.

Alfred Herrmann Helberger, Nidden 1918

Erst allmählich gewöhnten sich die Westeuropäer an die Existenz der neuen Staaten und das Zitat von Thomas Mann, das als Motto über unserem diesjährigen Festival steht, beinhaltet nicht nur die Feststellung, dass hier etwas Neues entstand, sondern auch den dringenden Wunsch, dass es sich bei den gerade gegründeten Republiken um demokratische Staaten handeln möge. 

Das Erstaunen über die neue ostmitteleuropäische Landkarte ist im Übrigen nicht einmalig geblieben. Es kann daran erinnert werden, dass sich dieses Erstaunen wiederholte – im Sommer und Herbst 1991. Auch das Jahr 2004 gilt es in diesem Zusammenhang zu erwähnen, als diese nun nicht mehr ganz neuen ostmitteleuropäischen Staaten gemeinsam in die Europäische Union aufgenommen wurden. Der genauere Rückblick offenbart darüber hinaus eine vielfache Aufbruchsstimmung, die im Jahr 1918 nicht nur den jungen baltischen frisch gegründeten bzw. wiederbegründeten Staaten innewohnte, sondern auch deutsche Künstler und Schriftsteller erfasste. Endlich erschien Heinrich Manns „Untertan“, seine Abrechnung mit dem wilhelminischen Deutschland, die er schon im Juli 1914 fertiggestellt, aber mit Rücksicht auf den Krieg noch nicht publiziert hatte. Der Roman, der gleich in einer Auflage von 100.000 Exemplaren auf den Markt kam, beförderte die Debatten um den Untergang des Wilhelminischen Reiches. Hingegen sinnierte sein Bruder Thomas Mann Ende Oktober 1918, also noch vor Kriegsende,  „von der literarischen Zukunft“. Er schrieb, dass es aussehe, „als stehe der Literatur im allgemeinen eine große Zeit bevor, als werde sie nach dem Kriege eine bedeutende Rolle im Leben der Völker spielen.“ Und er fuhr fort, dass er glaube, dass  „die Lebensform des Schriftstellers […] im Bewusstsein der Nation an Würde gewinnen [werde]“ und träumte „vom poetischen Geschmack des nachkriegerischen Europas.“Jubiläen, insbesondere Centurien, beinhalten eine Rückschau und regen dazu an, die Vergangenheit mit allen guten und schlechten Ereignissen Revue passieren zu lassen und das Erreichte zu feiern. Derartige Jahrestage sollten aber auch immer einen produktiven Teil einschließen, der frühere Aufbruchsstimmungen aufgreift und sie mit dem Ausblick auf künftige Zeiten und Vorhaben verbindet.In diesem Sinn beinhaltet das Musikprogramm des diesjährigen Festivals ein Konzert zur einhundertjährigen Unabhängigkeit von Litauen, Lettland und Estland, in dem Musikstudenten, künftige Chordirigenten der drei baltischen Staaten dirigieren werden. 
Das Festivalprogramm des Sommers 2018 lädt Zuhörer und Zuschauer zum Feiern ein, regt an, Rückschau zu halten und Zukunftsperspektiven zu diskutieren. 
Kuratorium des Thomas Mann Kulturzentrums

Zum Musikprogramm des 22. Thomas-Mann-Festivals

Das 22. Thomas-Mann-Festival hatte wie in jedem Jahr acht musikalische Abende, acht Konzerte mit Kammermusik. Das Programm wurde vom vorrangigen Festivalthema durchdrungen, das den fünfjährigen Zyklus, der sich dem Ersten Weltkrieg widmet, krönte. Traditionelle Konzertgenres wurden fortgesetzt: die Stunde der litauischen Musik, die Festivaldebüts, sowie Musik, die das Schaffen und Leben Thomas Manns in Nidden begleitete. 

Einige Abende widmeten sich speziell dem Datum der hundertjährigen Unabhängigkeit in Litauen, Lettland und Estland. Im ersten Konzert musizierten Musiker aus allen drei Ländern und im vorletzten Konzert wude zeitgenössische und klassische litauische, lettische und estnische Chormusik vom Chor „Aidija“ aufgeführt, wobei junge Dirigenten aus den drei baltischen Ländern dirigierten. Wir hörten Werke der Modernisten aus den 1960er Jahren, von Osvaldas Balakauskas, Bronius Kutavičius und Feliksas Bajoras. Die Entdeckung dieses Festivals war Musik des bisher in Litauen nicht aufgeführten deutschen Komponisten, Organisten und Thomaskantors Günther Ramin (1898–1956), der zu Zeiten Thomas Manns Nidden besuchte. 

Zum ersten Mal gab es drei Konzerte litauischer Pianisten als Zyklus aufgeführt: Es spielten Jurgis Karnavičius, Daumantas Kirilauskaus und der junge Ignas Maknickas, der gerade sein Studium in London aufnahm. Das Programm jedes Solokonzerts ist monografisch und widmete sich einem konkreten Komponisten: Čiurlionis, Beethoven und Chopin. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des modernen litauischen Staates widmete sich das Festivalprogramm besonders der jungen Generation der litauischen Musiker und so wurden mehrere Debütanten konzertiert: der bereits erwähnte Pianist Ignas Maknickas, der Cellist Augustas Gocentas, die Pianistin Onutė Gražinytė, der Dirigent Mantvydas Drulia und das Streichquartett „Mettis“. Wir begrüssten beständige Freunde und Gäste des Festivals, das Kaunas-Quartett, den Kammerchor „Aidija“, das Klaviertrio „Kaskados“ und das Kammerorchester Klaipėda. 

Vytautė Markeliūnienė
Musikdirektorin des Festivals

14. Juli (Samstag)

Abend Evangelische Kirche Nida
ERÖFFNUNGSKONZERT
Oskaras Balakauskas (1937*) Konzert für Oboe, Klavesin und Strechinstrumente 
Premiere der Auftragskomposition für das Festival von Justė Janulytė (1982*)
Kammerorcher Klaipėda (Leiter MINDAUGAS BAČKUS) Dirigent: NORMUNDS ŠNĒ (Lettland), REINUT TEPP (Klavier, Estland)

 

15. Juli (Sonntag)

Vormittag Geschichtmuseum der Nehrung
Lesungen aus dem Werk des Schriftstellers Thomas Mann und Kaffee, mit Ruth Leiserowitz

Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Treffen der Freunde des Thomas-Mann-Hauses. Treffen mit dem Präsidenten der Deutschen Thomas-Maann-Gesellschaft HANS WIßKIRCHEN
„Die Gebrüder Mann und die Weimarer Republik“
Moderation: Ruth Leiserowitz, unterstützt vom Förderverein Thomas-Mann-Haus e.V.

Abend Geschichtmuseum der Nehrung
Ausstellungseröffnung „Freiheit und Zerfall. Europa nach dem Ersten Weltkrieg“.
Kurator: Klaus Richter

Abendkonzert Evangelische Kirche Nida
ZYKLUS: DREI KLAVIERABENDE: ERSTES KONZERT
Ludwig van Beethoven (1770‒1827) Sonaten DAUMANTAS KIRILAUSKAS (Klavier)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Dokumentarfilm „Beuys“, (Regie: Andres Feiel), 2017, Deutschland, 107 Min

16. Juli (Montag)

Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Wortprogramm.  Treffen mit dem polnischen Dissidenten, Historiker und Essayisten ADAM MICHNIK (Polen)
Wege und Irrwege: Überlegungen anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Wiederherstellung des Staates. 
Moderation: Alvydas Nikžentaitis
(Foto: Stephan Röhl, Heinrich-Böll-Stiftung, From Wikimedia Commons)

Abend Evangelische Kirche Nida
GEWIDMET THOMAS MANN
Günther Ramin (1898‒1956) Werke für Chor (Dieser Komponist hat Nidden zur Zeiten Thomas Manns besucht)
Franz Schubert (1797‒1828)– Klaviertrio. 2, Es-Dur D. 929 Trio “Kaskados”

Nachts Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Dokumentarfilm „Liebe Oma, Guten Tag!“, (Regie: Jūratė Samulionytė und Vilma Samulionytė, 2017, Litauen, Deutschland, 88 Min.
Unter Teilnahme der Regisseurin Vilma Samulionytė. 

17. Juli (Dienstag)

Vormittag Geschichtmuseum der Nehrung
Lesungen aus dem Werk des Schriftstellers Thomas Mann und Kaffee, mit Hans Wißkirchen (er liest aus „Der Zauberberg“, er gilt als einer der Spezialisten für dieses Werk)

Nachmittag Miniaturenmuseum in Juodkrante
Eröffnung der Ausstellung Ein Blick auf Erde und Wasser. Karten und Malerei im Zeitraum vom 17. bis zur ersten Hälfte des 20. Jhs aus der Sammlung der ostpreussischen Kunst von Alexander Popow. Kuratorin: Kristina Jokubaviciene 

Abend Evangelische Kirche Nida
ZYKLUS: DREI KLAVIERABENDE: ZWEITES KONZERT
Kompositionen von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875‒1911) JURGIS KARNAVIČIUS (Klavier)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Spielfilm „POLL“, 2009–2010, Deutschland, 139 Min, Regie: Chris Kraus

18. Juli (Mittwoch)

Vormittag Geschichtmuseum der Nehrung
Lesungen aus dem Werk des Schriftstellers Thomas Mann und Kaffee, in Litauisch mit Antanas Gailius (bekannt als Thomas Mann Übersetzer ins Litauische).

Nachmittag Künstlerhaus Virginija und Kazimiras Mizgiris
Austellungseröffnung DIE LINIE Künstlerin Jukija Pociute

Abends Evangelische Kirche Nida
ZYKLUS: DREI KLAVIERABENDE: DRITTES KONZERT
Frédréric Chopin (1810‒1849) IGNAS MAKNICKAS (Klavier) 

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Spielfilm „EIDAS (TWARZ)“, 2018, Polen, 85 Min, Regie: Małgorzata Szumowska

19. Juli (Donnerstag)

Vormittag Öffentliche Bibliothek der Gemeinde Neringa (neben dem Geschichtsmuseum der Nehrung)
Lesung bei Kaffee und Kuchen  
Treffen mit den Siegern des Essay-Wettbewerbs Moderator: Laurynas Katkus

Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Wortprogramm. „1918: Ende und Anfang. Depression, Pathos und Pragmatismus im deutschen Bildungsbürgertum“ Treffen mit dem Gast des Goethe Instituts Vilnius Prof. Dr. Dorothee Wierling (Deutschland). Moderatorin: Ruth Leiserowitz

Abend Evangelische Kirche Nida
STUNDE DER LITAUISCHEN MUSIK / FESTIVALDEBÜT
Werke der Komponisten Oskaras Balakauskas, Bronius Kutavičius (1932*), Feliksas Bajoras (*1934)
AUGUSTAS GOCENTAS (Cello), ONUTĖ GRAŽINYTĖ (Klavier), Kaunas-Quartett:  KAROLINA BEINARYTĖ–PALEKAUSKIENĖ (I. Violine), AISTĖ MIKUTYTĖ  (II. Violine), EGLĖ LAPINSKĖ (Viola), SAULIUS BARTULIS (Cello)
Kammerchor „Aidija“ (Leiter ROMUALDAS GRAŽINIS) 

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Spielfilm „TABU“, 1931, Deutschland, 82 Min, Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Musikalische Neu-Interpretation und Live-Vertonung durch den deutschen Musiker Thomas Köner (Multimedia) und den litauischen Musiker Vladas Dieninis (Percussion).

20. Juli (Freitag)

Vormittag Geschichtmuseum der Nehrung
Lesungen aus dem Werk des Schriftstellers Thomas Mann und Kaffee, 

Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Wortprogramm. Ester Plan zur Wiedererrichtung des litauischen Staates und seine Alternativen. 
Treffen mit dem Historiker und Diplomaten Alfonsas Eidintas (Litauen)
Moderator: Antanas Gailius

Kunstgalerie Nida der Kunstakademie Vilnius
(Per)forming Scapes. Ausstellungseröffnung mit Performances. Künstler: Lina Lapelytė (LT), Petras Išora ir Ona Lozuraitytė (LT), Špela Petrič (SLO), Anna Romanenko ir Björn Kühn (DE). Kurator: VYTAUTAS MICHELKEVIČIUS 

Abend Evangelische Kirche Nida
„MUSIK DES  JAHRHUNDERTJUBILÄUMS: LITAUEN, LETTLAND, ESTLAND“
GEWIDMET DER 100-JÄHRIGEN UNABHÄNGIGKEIT VON LITAUEN, LETTLAND, ESTLAND 
Litauische, lettische und Estnische moderne und klassische ChormusikKammerchor „Aidija“ (Leiter ROMUALDAS GRAŽINIS) Es digirieren: Musikstudenten, Teilnehmer eines Workshops junger Dirigenten aus Litauen, Lettland und Estland

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“  gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Spielfilm „TONI ERDMANN“, 2016, Deutschland, Österreich 162 Min, Regie: Maren Ade

21. Juli (Samstag)

Abend Evangelische Kirche Nida

ABSCHLUSSKONZERT
Festivaldebut – Streichquartett „Mettis“
Franz Schubert (1797‒1828) Quartettsatz, D. 703 
Felix Mendelssohn (1809‒1847) Oktett
Kaunas-Quartett:  KAROLINA BEINARYTĖ–PALEKAUSKIENĖ (I. Violine), AISTĖ MIKUTYTĖ  (II. Violine), EGLĖ LAPINSKĖ (Viola), SAULIUS BARTULIS (Cello)

 

Organisatoren
THOMAS-MANN KULTURZENTRUM Skruzdynės g. 17 Neringa 93123 mann@mann.lt wwww.mann.lt

Schirmherren des Festivals:
Valdas Adamkus, Litauischer Präsident a. D., UNESCO Botschafter des Guten Willens, 
Litauische nationale UNESCO-Kommission


Partner des Festivals:
Museen von Neringa
Goethe Institut Vilnius
UAB „Papyrus Lietuva“
VDA Nida Art Colony 
Nidos KTIC „Agila“

Sponsoren des Festivals:
Litauischer Kulturrat
Verwaltung von Neringa
UAB BaltTours
Förderverein Thomas-Mann-Haus e.V