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20. TM-Festival

Programm 16.-23. Juli 2016

Alle Veranstaltungen fanden in litauischer und in deutscher Sprache statt. 

20. Internationales Thomas-Mann-Festival

Menschenwürde
Im Rahmen des fünfjährigen Festivalzyklus unter dem Motto „Erbe der Moderne, 100 Jahre nach dem Großen Krieg“

Der Maler Max Pechstein wurde im Mai 1916 zum Kriegsdienst eingezogen und kämpfte in Frankreich an der Somme, an einem Abschnitt, in dem rund eine Million Soldaten binnen eines halben Jahres ihr Leben lassen sollten. Während dieser Zeit schrieb er in einem Brief an seinen ehemaligen Kommilitonen und Künstlerfreund Alexander Gerbig „… es gehört verdammt guter Mut dazu, noch lebenslustig zu bleiben. Manches geht doch verdammt gegen die Menschenwürde.“ Und einige Zeilen weiter heißt es:“… ich muss noch so viel Energie für mich retten, dass ich auch nach diesen entnervenden Jahren das für meine Kunst leisten kann, was ich möchte und muss.“

(Max Pechstein 1920, Foto von Minya Diez-Dührkoop)

Briefkontakte waren in jener Zeit die häufigsten Verbindungen zur Front. Aber ihre Schreiber teilten meistens keine genauen Fakten der grausamen Ereignisse mit, in die sie dort verwickelt waren, sondern die Inhalte spiegelten vor allem die seelischen Zustände der Verfasser wider. Pechstein beschloss also, Energie für sich zu retten und an vielen Orten des Kriegsgeschehens entschieden sich Personen gleichfalls, Dinge zu tun, die bisher nicht in ihrem Möglichkeitsrahmen gelegen hatten. Wenden wir unseren Blick von der West- zur Ostfront. Hier hatte das deutsche Heer den gesamten Landstrich zwischen Białystok und Ventspils und damit auch ganz Litauen besetzt und eine eigene Verwaltung Ober Ost gegründet. Über das Leben unter der deutschen Besatzung ist relativ wenig veröffentlicht worden. Doch es gab zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die Gründung und den Ausbau des Vereins „Lietuvių draugija nukentėjusiems dėl karo šelpti“ (Litauischer Verein zur Unterstützung der Kriegsflüchtlinge), in dem zahlreiche Aktivitäten für die vor der deutschen Besatzung geflohenen Zivilisten stattfanden oder aber die Spenden-und Baustoffsammlung für die Errichtung der von Antanas Vivulski entworfenen „Drei Kreuze“ 1916 in Vilnius. In ihrem ersten Jahresbericht schrieb der Vorsitzende des Vereins, Martynas Yčas: „Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge war eine völlig neue Sache. Da konnte man  nur aus dem eigenen Leben  und  den neuen  Erfordernissen  lernen. In  Litauen  gab es keine gesellschaftlichen Organisationen, deren Angestellte Erfahrung hatten und sofort die Arbeit aufnehmen konnten, um breite Hilfe zu leisten.“ Die Arbeit dieses Vereins wurde zu einem großen Erfolg und einem Meilenstein des zivilgesellschaftlichen Engagements.

Sowohl Stimmen, wie die Klage Pechsteins, dass manches „doch verdammt gegen die Menschenwürde“ gehe, wie auch das vielfältige ehrenamtliche Engagement für die Flüchtlinge oder  für ein eigenes Stadtzeichen blieben in den großen Strichen der Erinnerung unerwähnt und unberücksichtigt, denn es handelte sich um Dinge, die nicht unmittelbar fass-und messbar waren, begrifflich schwer zu umreißen sind, aber für eine demokratische Gesellschaft unerlässliche Bestandteile bilden. Wenn wir uns nun konkreter mit dem Begriff der Menschenwürde befassen, werden wir bei unserem Namenspatron Thomas Mann nicht so rasch fündig. Er meinte in der Zeit des Ersten Weltkrieges: “Menschlichkeit als politische Philosophie und demokratisches Prinzip steht auf schwachen Füßen.“ (in: Einiges über Menschlichkeit) Erst in der Zwischenkriegszeit sollte sich seine Haltung in dieser Frage einhergehend mit der Entwicklung seines Demokratieverständnisses wandeln und in seinen Rundfunkansprachen während des Zweiten Weltkrieges spielte der Begriff der Menschenwürde eine wesentliche Rolle. Welche Ursachen hatte dieser lange Wandlungsprozess? Wie wird der Begriff der Menschenwürde heute begriffen und definiert? Sagt er uns etwas? Ist er noch relevant oder vielleicht schon überholt?

Ruth Leiserowitz, für das Kuratorium des Thomas-Mann-Kulturzentrums, Nida im September 2015

Programm

16. Juli (Samstag)

Abends Evangelische Kirche Nida
Eröffnung des Festivals durch den Schirmherren und Präsidenten a.D. Litauens Valdas Adamkus und den Bürgermeister von Neringa, Darius Jasaitis sowie mit einer Rede der Kulturstaatsministerin der BRD, Prof. Monika Grütters. 
Eröffnungskonzert
Johann Sebastian Bach, Brandenburgisches Konzert, Nr. 3 G-Dur,Johann Sebastian Bach, Kunst der Fuge, 3 Kontrapunkte,
John Tavener, Svyati Premiere der Auftragskomposition für das Festival von Onutė Narbutaitė (1956*). „In der Stille“ Ein Werk für Klavier: Kammerorchester Klaipėda (Leiter: Mindaugas Bačkus), Daumantas Kirilauskas (Klavier), Mindaugas Bačkus (Violoncello)    Kammerchor„Aidija“ (Leiter: Romualdas Gražinis)

17. Juli (Sonntag)

Mittag Gemeindehaus der Katholischen Gemeinde
Ausstellungseröffnung. Aus dem Zyklus „Rückkehr“. Bilder und Grafiken aus der Sammlung von Aleksandras Popovas (Klaipėda), Kuratorin: Kristina Jokubavičienė

Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Rundtischgespräch „20 Jahre Thomas-Mann-Kulturzentrum“ mit der Germanistin und Literaturwissenschaftlerin Irena Veisaitė, Alvydas Nikzentaitis, Goethe Institut: Irmtraud Hubatsch, Johanna Keller und Berthold Francke, Moderation: Ruth Leiserowitz

Ausstellungseröffnung zum Jubiläum des Thomas-Mann-Kulturzentrums

Abends Evangelische Kirche Nida
Festivaldebüt Andrius Žlabys (Klavier, JAV/Litauen)
Georg Friedrich Händel Suite für Klavier Nr. 6 fis-Moll
Claude Debussy, Suite bergamasque
Mikalojus Konstantinas Ciurlionis, Drei Präludien
César Franck, Prelude, Choral et Fuge

18. Juli (Montag)

Abends Geschichtsmuseum der Nehrung
Ausstellungseröffnung, „Cornelia Gurlitt: Herzenreise. Vilnius mit den Augen einer deutschen Expressionistin 1915–1917“. Aus den Beständen des Staatlichen Staatlichen jüdischen Gaon-Museums in Vilnius und privaten Sammlungen
Einführung Hubert Portz. 

Evangelische Kirche Nida
Stunde der litauischen Musik, Werke von Julius Juzeliūnas und  Osvaldas BalakauskasJulius Juzeliūnas, Quartett, Nr. 1
Osvaldas Balakauskas, Drei Kaprisen für Klavier „Kaip marių bangos prisilietimas“ [Wie die Berührung der Haffwellen]
Lieder für Chor, Streichquartett
Albina Šikšniūtė (Klavier), Rusnė Mataitytė (Violine), Kaunas-Quartett: Karolina Beinarytė–Palekauskienė (1. Violine), Lina Kireilė (2. VioIIne), Eglė Lapinskė (Viola), Saulius Bartulis (Violoncello), Kammerchor „Aidija“ (Leiter: Romualdas Gražinis)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“ gefördert vom Goethe Institut Vilnius
Stummfilm von Friedrich Wilhelm Murnau der Stummfim FAUST mit Musikbegleitung (Deutschland), Thomas Köner (Klavier)

19. Juli (Dienstag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Wortprogramm, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, Treffen mit dem Politiker Bernhard Vogel, (Deutschland),
Moderation: Antanas Gailius

Abends Evangelische Kirche Nida
Konzert zum zwanzigjährigen Jubiläum Ludwig van Beethoven, 33 Variationen C-Dur über einen Walzer von Anton Diabelli,  op. 120 Daumantas Kirilauskas (Klavier) 

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“
Stummfilm von Murnau „Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen“. Sein erster in den USA produzierter Film von 1927 erzählt eine Geschichte mit einer Handlung, die am Kurischen Haff spielt.

20. Juli (Mittwoch)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus 
Wortprogramm, „Kriegstrauma: Kämpfe um eine Diagnose“, Treffen mit der Psychologin Danute Gailiene,
Moderation: Ruth Leiserowitz

Abends Evangelische Kirche Nida
Aus dem Schatz der Kammermusik Richard Strauss, Streichsextett aus der Oper„Capriccio“ op. 85, 
George Enescu Streichoktett op. 7 Kaunas-Quartett: Karolina Beinarytė–Palekauskienė (1. Violine), Lina Kireilė (2. VioIIne), Eglė Lapinskė (Viola), Saulius Bartulis (Violoncello), Čiurlionis-Quartett – Jonas Tankevičius (1. Violine), Darius Dikšaitis  (2. Violine), Gediminas Dačinskas (Viola),Saulius Lipčius (Violoncello)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“:  Film aus der späten DDR – Käthe Kollwitz -Bilder eines Lebens.

21. Juli (Donnerstag)
Abends Künstlerhaus Virginija und Kazimieras Mizgiris
Eröffnung der Ausstellung „Ich werde bereit sein, wenn du kommst“ mit Nerijus Erminas.

Evangelische Kirche Nida
Im Kontext von 1916.  Ferruccio Busoni und Hans Pfitzner
Hans Pfitzner, Sonate für Violoncello und Klavier Fis-Moll, op. 1
Ferruccio Busoni, Turandots Frauengemach, Intermezzo für Klavier aus dem Zyklus Elegien
Claude Debussy, Sonate für Violoncello und Klavier Julian Bachmann (Violoncello, Deutschland), Gryta Tatoryté (Klavier, Deutschland/Litauen)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“ gefördert vom Goethe Institut Vilnius, Spielfilm (Deutschland) von 2014 „Who am I – Kein System ist sicher“.


22. Juli (Freitag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus 
Wortprogramm. Treffen mit dem Publizisten Paweł Smoleński (Polen). 
Moderation: Kornelia Kurowska

Abends Evangelische Kirche Nida
Kammerensembles der Wiener Klassik Joseph Haydn Klaviertrio As-Dur, 
Wolfgang Amadeus Mozart, Klaviertrio Nr. 6 G-Dur, 
Ludwig van Beethoven, Klavierquartett Nr. 3 C-Dur, Klaviertrio „Kaskados“ – Albina Šikšniūtė (Klavier), Rusnė Mataitytė (Violine), Edmundas Kulikauskas (Violoncello), Wolfgang Klos (Viola, Österreich)

Kinonächte im Kulturzentrum „Agila“ Dokumentarfilm (Litauen) über das Leben in der Ostukraine „Mariupol“ des litauischen Regisseurs Mantas Kvedaravicius.

23. Juli (Samstag)
Abends Nida Art Colony
Eröffnung der Ausstellung „Hybride Landschaften“
Franziska Nast (Deutschland) – Stipendiatin des Goethe Instituts. Liddy Scheffknecht (Österreich), Anna Romenko & Björn Kühn (Deutschland),
Taavi Suisalu (Estland), Pakui Hardware (Litauen), Juha Pekka Matias Laakkonen (Finnland/Schweden), Marika Troili (Schweden), Distruktur (Bulgarien/Deutschland)

Evangelische Kirche Nida
Abschlusskonzert
Ludwik van Beethoven, Streichquartett Nr. 9, C-Dur (Razumovsky)