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19. TM-Festival

19. Internationales Thomas-Mann-Festival

Programm 11.-18. Juli 2015

Im Rahmen des fünfjährigen Festivalzyklus „Erbe der Moderne. 100 Jahre nach dem Großen Krieg“ unter dem diesjährigen Motto 
„Ausbruch des Gewissens“

Zusammenfassung:
Neben ausgesuchten kammermusikalischen Konzerten, Filmnächten und Ausstellungen werden wir uns im  Wortprogramm, ausgehend von dem Streit zwischen Thomas und Heinrich Mann, der 1915 entbrannte, mit der Verantwortung von Intellektuellen und Künstlern in Kriegs-und Krisensituationen auseinandersetzen. Dieses Thema hat heute wieder an Aktualität gewonnen.

Ausbruch des Gewissens
Sąžinės proveržis

Als der Erste Weltkrieg begann, verfasste Thomas Mann den Aufsatz „Gedanken im Kriege“, in dem er den militärischen Kampf der deutschen Kultur gegen die barbarische Flachheit des Westens rühmte; er war stolz auf den bewaffneten Widerstand gegen den „anti-heroischen« und »anti-genialen“ Geist der „wölfisch-merkantilen Bourgeoisie-Republiken“. Der frankophile Bruder Heinrich, der sich zu Kriegsausbruch , wie schon so oft vorher noch in Nizza aufgehalten hatte, veröffentlichte 1915 in den „Weißen Blättern“, dem von René Schickele herausgegebenen intellektuellen Magazin mit pazifistischer Tendenz einen Essay über Émile Zola, den er für den prototypischen Anwalt der Zivilisation hielt.

Zola hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine führende Rolle in dem damals Frankreich innenpolitisch erschütternden Dreyfus-Prozess gespielt, da er sich für den zu Unrecht wegen Hochverrats verurteilten jüdischen Offizier politisch eingesetzt hatte. Mann verglich Zolas Rolle im Prozess mit jener der deutschen Schriftsteller im Weltkrieg. Er stellte ihn als Vorbild des Intellektuellen dar, der sich für Wahrheit, Vernunft, Frieden und Demokratie einsetzt, sein Gewissen, diese Instanz des menschlichen Bewusstseins, im Kontext des Kriegs prüft und dessen Ausbruch durch den „Nebel der Begeisterung“ hindurch einfordert.  „Ob ich das Vaterland liebe oder nicht: ich bin es selbst. Dass ich mich jetzt ausschließe, verbannt bin und schweige, ist ein großes Zeichen, und mein Land selbst richtet es sich auf.“, ließ Heinrich Mann Émile Zola sagen und meinte aber in diesem Moment sich selbst. Dieser Text vereint drei Dimensionen: Er ist ein geschichtlich wirkendes Zeitdokument, er ist leidenschaftlich autobiographisch und birgt zudem eine thematisch gültige Aussage (Manfred Hahn). Mit dessen Veröffentlichung war der Konflikt zwischen Thomas, der den Machtanspruch des Deutschen Kaiserreichs vertrat und seinem frankophilen Bruder Heinrich, der für den Sieg des gewissenhaften Intellektuellen kämpfte, perfekt.

Gebrüder Heinrich und Thomas Mann

Dieser weltanschauliche Bruderzwist sollte jahrelang anhalten, er war exemplarisch und zeitlos. Er umfasste Fragen, die auch heute mehr denn je aktuell sind: Welche Rolle hat der Schriftsteller, der Künstler in Politik und Gesellschaft. Hat man sich zu engagieren oder kann man sich auf „reines“ Künstlertum zurückziehen? Kann ein Schriftsteller unpolitisch sein? Wie verhält es sich mit dem Gewissen angesichts eines Krieges bzw. kriegsähnlichen Situationen? (Ruth Leiserowitz). 

Das Musikprogramm des 19. Internationalen Thomas-Mann-Festivals ist ein Zusammenspiel aus traditionellen und neuen Elementen. Zur Tradition gehören ständige Teilnehmer des Festivals wie der Kammerchor „Aidija“ und das Kaunas-Quartett. Doch werden auch neue kammermusikalische Programme erklingen, wie die Premiere einer Auftragskomposition des Festivals an einen litauischen Komponisten. Es waren auch Interpreten hören, die auf dem Festival debütierten.

Aus dem Musikprogramm:

Das junge Kammermusikensemble „Claviola“. Soloabend des US-litauischen Pianisten Gabrielius Alekna. Ein Konzertabend mit moderner litauischer Musik der Komponistin Onutė Narbutaitė. Es gabt einige Akzente, die sich durch einen großen Teil der Konzerte hindurchziehen. In diesem Jahr wurde mehr Vokalmusik zu Gehör gebracht wie Werke französischer Komponisten. Die Musik von Maurice Ravel und Igor Stravinski versinnbildlicht auf ihre Weise das Kriegsgeschehen. Und das Kriegsthema wurde auch durch ein Konzert fortgeführt, das dem Pianisten Paul Wittgenstein gewidmet war. Ihm zu Ehren erklangt die Suite op.23 für 2 Violinen, Cello, Klavier linke Hand von Erich Wolfgang Korngold, die in Litauen zum ersten Mal aufgeführt wurde. Wie stets, setzte das Festival auch den Strang der klassischen Musik fort. Es gab ein Konzert mit Musik für Chor und Streichquartett sowie Werke von Johann Sebastian Bach. Darunter die Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll für Solovioline (BWV 1004), mit der das Festival begann und die Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ (BWV 147), die das Schlusskonzert krönte. (Vytautė Markeliūnienė)

Programm

11. Juli (Samstag)

Abends Evangelische Kirche Nida 
Eröffnung des Festivalsdurch den Schirmherrn den Altpräsidenten der Republik Litauen Valdas Adamkus, den Bürgermeister der Nehrung sowie weitere Gäste.

Eröffnungskonzert Johann Sebastian Bach (1685–1750) Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo, BWV 1004 INGRIDA ARMONAITĖ (Violine), Maurice Ravel (1875–1937) Trio für Klavier, Violine und Cello Klaviertrio „FortVio“ – INDRĖ BAIKŠTYTĖ (Klavier), INGRIDA RUPAITĖ (Violine), POVILAS JACUNSKAS (Cello) Igor Stravinsky (1882–1971) Die Geschichte vom Soldaten INGRIDA ARMONAITĖ (Violine), VYTAUTAS GIEDRAITIS (Klarinette) INDRĖ BAIKŠTYTĖ (Klavier).

12. Juli (Sonntag)
Abends Künstlerhaus Virginija und Kazimieras Mizgiris
Ausstellungseröffnung: „Wahre Geschichten“ von Vitalis Cepkauskas.

Abends Evangelische Kirche Nida
Französische Vokalmusik JEAN FRANCOIS NOVELLI (Frankreich)
Kammerchor „Aidija“. Leiter: ROMUALDAS GRAŽINIS

13. Juli (Montag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
„Der Tod und die Landschaft. Friedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg in Masuren“. Treffen mit DR. RAFAŁ ŻYTYNIEC (Polen), Moderation: Kornelia Kurowska (Polen). 

Abends Evangelische Kirche Nida
Festivaldebüt „Trio Claviola“Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Trio Es-Dur („Kegelstatt“) für Klarinet, Viola und  Klavier, KV 498.
Jean Francaixs (1912–1997) Trio für Klarinette, Viola und Klavier. 
Premiere der Auftragskomposition für das Festival Trio „Claviola“: VYTAUTAS GIEDRAITIS (Klarinette) ,JURGIS JUOZAPAITIS (Viola), UGNĖ ANTANAVIČIŪTĖ (Klavier).

Kinonächte
Die Austernprinzessin. Regie Ernst Lubitsch, Spielfilm, stumm, Deutschland 1919, 60 Min. Musikalische Begleitung live am Klavier von Giedrius Nakas. Gefördert vom Goethe-Institut Litauen 

14. Juli (Dienstag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
„Zwischen Heil und Hölle: die französischen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg“. Treffen mit dem französischen Historiker ÉTIENNE FRANÇOIS, Moderation: Ruth Leiserowitz. 

Abends Geschichtsmuseum der Nehrung
Eröffnung der Ausstellung „Künstler zu Zeiten des Krieges“. Kuratorin Kristina Jokubavičienė.

Abends Evangelische Kirche Nida
Hommage á Paul Wittgenstein Maurice Ravel (1875–1937) Miroirs  JURGIS KARNAVIČIUS (Klavier) Erich Wolfgang Korngold (1897–1957).
Suite op. 23 JURGIS KARPAVIČIUS (Klavier), KAROLINA BEINARYTĖ-PALEKAUSKIENĖ (I. Violine), VILIJA ŽILINSKIENĖ (II. Violine), SAULIUS BARTULIS (Cello).

Kinonächte
Ich möchte kein Mann sein. Regie Ernst Lubitsch, Spielfilm, stumm, Deutschland 1918, 45 Min. Musikalische Begleitung live am Klavier von Giedrius Nakas. Gefördert vom Goethe-Institut Litauen 

15. Juli (Mittwoch)
Nachmittag Hauptplatz (vor der Kommunalverwaltung)
Das Sozialspiel „The Artist is represented“. Projekt-Präsentaton der Stipendiatin des Goethe-Instituts und der Kunstkolonie der Kunsthochschule Vilnius,Christiane Hütter.

Abends Evangelische Kirche Nida
Klavierabend Vytautas Bacevičius (1905–1970) Werke für Klavier GABRIELIUS ALEKNA (Klavier, Litauen/USA) 

Kinonächte
Phoenix. Regie Christian Pletzold, Spielfilm, Deutschland, 2014, 98 Min. Gefördert vom Goethe-Institut Litauen

16. Juli (Donnerstag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Treffen der Freunde des Thomas-Mann Hauses,
Gespräch mit dem Gast des Goethe Instituts Prof. Dr. Wolfgang Klein zu “Erbitterter Idealismus”. Heinrich Mann und der Krieg, 1915 und später. Moderator Antanas Gailius.


Abends Evangelische Kirche Nida
Abend mit Werken von Franz Schubert (1797–1828) Lieder für Chor Kammerchor „Aidija“. Leiter: ROMUALDAS GRAŽINIS Quartett Nr. 14 d Moll, D.810, 
Der Tod und das Mädchen Kaunas-Quartett – KAROLINA BEINARYTĖ-PALEKAUSKIENĖ (I.Violine ), VILIJA ŽILINSKIENĖ (II.Violine), EGLĖ LAPINSKĖ (Viola), SAULIUS BARTULIS (Cello).

Kinonächte
Erich Mendelson – Visionen für die Ewigkeit. Regie Duki Dror, Dokumentarfilm, Israel, 2011, 71 Min. Gefördert von „Juden in Ostpreußen, Verein zur Geschichte und Kultur e.V.“ Berlin

17. Juli, (Freitag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Treffen mit dem Literaturforscher Virginijus Gasiliunas. 
Von Stimmen – der Vernunft, des Herzens (oder Gewissens) und vom Murmuratio. Moderator Laurynas Katkus.

Abends Evangelische Kirche Nida
Stunde der litauischen Musik. Werke von Onutė Narbutaitė Streichquartett: 
„Öffne das Tor des Vergessens“ Pas de deux für Mezzosopran und Cello (Worte: Jacques Prévert)
„Sonnet a l‘Amour“ für Tenor und Gitarre (Worte: Oskar W. Miłosz),
Verse von Vincas Mykolaitis Putinas NORA PETROČENKO (Mezzosopran), JURGIS KARNAVIČIUS (Klavier), Kaunas-Quartett – KAROLINA BEINARYTĖ-PALEKAUSKIENĖ (I Violine ), VILIJA ŽILINSKIENĖ (II.Violine), EGLĖ LAPINSKĖ (Viola), SAULIUS BARTULIS (Cello), MINDAUGAS BAČKUS (Cello).

Vor der Kinonacht
Konzert der Jazz-Sänger Raimonda Vaiciute und Pianist Mantas Liutikas

Kinonächte
Die unsichtbare Front. Regie Jonas Ohman und Vincas Sruoginis, Dokumentarfilm, Litauen, USA, Schweden, 2013, 87 Min. Gefördert vom Goethe-Institut Litauen.

18. Juli, (Samstag)
Nachmittag Thomas-Mann-Haus
Buchpräsentation des „Konzert für die linke Hand“ von Lea Singer unter Beteiligung der Komponist Šarūnas Nakas und der Buchübersetzerin Kristina Sprindžiūnaitė. Moderatorin Ruth Leiserowitz,

Abends Evangelische Kirche Nida
Schlußkonzert Johann Sebastian Bach (1685–1750) Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ BWV 147 NORA PETROČENKO (Mezzosopran), Kammerchor „Aidija” (Leiter: ROMUALDAS GRAŽINIS), Kaunas-Quartett: KAROLINA BEINARYTĖ-PALEKAUSKIENĖ (I. Violine ), VILIJA ŽILINSKIENĖ (II. Violine), EGLĖ LAPINSKĖ (Viola), SAULIUS BARTULIS (Cello).